This entry is part 5 of 6 in the series Michael Pierce präsentiert

Über diesen Link findest du das Video von Michael Pierce. Für alle, die des Englischen nicht (ausreichend) mächtig sind, habe ich nachstehende Übersetzung des gesprochenen Wortes gefertigt:

Zum leichteren Verständnis des Videos und der Übersetzung ein Exkurs:

Funktionen des ISTJs:                                 Abkürzung

1. introvertiertes Denken            Ti
2. extravertiertes Empfinden     Se
3. introvertierte Intuition           Ni
4. extravertierte Fühlen              Fe

ISTP – präsentiert von Michael Pierce

(übersetzt von Sascha Faber)

David Keirsey bezieht sich auf den ISTP als den Fachmann, der in einigen Fällen zu „der Handwerker“ oder „der Mechaniker“ abgeändert wurde. Dies entspricht dem allgemeinem Klischee in der Jung‘schen Gemeinde von einem wortkargen, ölverschmierten Handwerker, der die praktischen Aspekte seines Handwerks gemeistert hat. Dieses Image lässt sich auf eine Vielzahl von Berufen übertragen: Pilot, Geschäftsmann, Soldat, asiatischer Kampfkünstler oder Jedi-Ritter. In jedem Fall wird der ISTP so betrachtet: kurz angebunden, sehr konzentriert, oft kaltschnäuzig und direkt, ohne Schnörkel und zumeist außergewöhnlich, in dem was er tut; in der Lage körperliche und geistige Herausforderung zu meistern oder tüftelnd mit bewundernswerter Befähigung, Reflex und Genialität.

Ich kann mich nicht über dieses Klischee beklagen, außer dass es zu einschränkend ist. Der ISTP hat als dritte Funktion die introvertierte Intuition (Ni), die von dem Klischee oft nicht erfasst wird, jedoch eine bedeutende Rolle in der Persönlichkeit spielt, und ich denke, dass ein richtiges Verständnis hiervon helfen kann, die Grenze zwischen den acht intuitiven (N-) Typen und den acht empfindenden (S-) Typen abzuschwächen und von 16 mit einander verbunden Typen auszugehen.

Wie immer – lasst uns einen Blick auf die Funktionen des ISTPs werfen:

Es handelt sich um wahrnehmende Typen (in der Außenwelt). Dies bedeutet, dass sie die extravertierte Wahrnehmung und das introvertierte Urteilen bevorzugen. Entsprechend fußen ihren Urteilskriterien auf subjektiven, inneren Informationen, während sie einfach beobachten und objektive Informationen und Erfahrungen sammeln. Man könnte sagen, sie sind empfänglicher für die Informationen der Außenwelt und aggressiver gegenüber ihren inneren Erfahrungen.

Ihre bevorzugte Art, dies zu tun, ist durch extravertiertes Empfinden und introvertiertes Denken geprägt. Extravertiertes Empfinden ist fotografisch: Es hat von allen Funktionen die unmittelbarsten Beziehungen zum Objekt. Dies vermittelt ihm die klarste und realistischste Sichtweise. Introvertiertes Denken ist hingegen deduktiv. Es versucht, ein konstantes System innerer Logik zu entwickeln, indem es alle notwendigen Schlussfolgerungen aus bestimmten vorgegebenen Grundannahmen ableitet.

Darüber hinaus sind ISTPs den ESTPs sehr ähnlich. Beide bevorzugen das extravertierte Empfinden (Se) und das introvertierte Denken (Ti). ISTPs bevorzugen Ti jedoch mehr als Se. Nichtsdestotrotz sind sie in gewisser Weise die gleichen Typen oder zumindest Geschwistertypen.
Ich persönlich bezeichne die STP-Typen gerne als “Krieger”, da sie eine scharfe und lebhafte Wahrnehmung der Welt mit einem rigorosen Ordnen und logischem Schlussfolgern in ihrem Geiste verbinden. Damit bauen sie ein logisches System der Wirklichkeit, dass ihnen hilft, sich geschmeidig zu bewegen wie ein Soldat in der Schlacht.
Freilich ist der Begriff “Krieger” nur rein Spitzname, der mir hilft, mich an die STP-Natur zu erinnern, und er bedeutet nicht, dass jeder STP ein GSG-9-Spezialist ist (M. Pierce verwendet das Wort Navy-SEAL) oder dass er am Krieg interessiert ist.

Der ISTP ist demzufolge ein „Krieger“, dem seine inneren logischen Prinzipien und Schlussfolgerungen interessanter und wichtiger sind als seine objektiven Beobachtungen. Er ist in erster Linie damit befasst, sein subjektives Verständnis von den Dingen zu entwickeln und in beständige Systeme einzuordnen.
Das Verb, das dem Handeln des ISTPs am nächsten kommt, ist „meistern“. Vergleichbar dem INTP versucht das dominante Ti des ISTPs, Systeme und Strukturen hinter den Dingen zu erfassen. Während der INTP sich jedoch auf die Struktur konzentriert, die hinter den Möglichkeiten liegt, die von einem Objekt ausgehen, lenkt der ISTP seine Aufmerksamkeit auf die Struktur der Dinge an sich.

Darauf beruht das Klischee, denn ISTPs nehmen gerne Dinge auseinander, um zu sehen, wie sie funktionieren – von Uhren bis Computern von Ideen und allem, was ein Objekt ist. Sie prüfen die Welt mit ihrer scharfen Se-Linse, und dann organisieren sie ihre Eindrücke in ein konstantes System innerer Logik hinein. Während der INTP philosophisch und abstrahierend im klassischen Sinne ist, befindet sich der ISTP mehr auf dem Boden der Tatsachen. Daher ist der Zweck seiner Überprüfungen, die Dinge zu meistern und ein möglichst vollständiges und bodenständiges Verständnis davon zu haben, wie die Dinge funktionieren, so dass der ISTP „natürlich zuschlagen“ kann.
Wir neigen dazu, diese Einstellung mit der Art eines Meisters aus einem asiatischen Kampfkunstfilm zu verknüpfen. Als Eselsbrücke halte ich diesen Vergleich für brauchbar. Der ISTP studiert zumeist still und intensiv einen Gegenstand und arbeitet diesen in seinem Geist oder mit seinen Händen durch. Viele ISTPs besitzen die Fähigkeit, eine neue Tätigkeit oder ein neues Hobby aufzunehmen und – im Vergleich zu anderen Anfängern – mit relativ geringer praktischer Erfahrung ganz passable Erfolge zu erzielen.
Ihr scharfer Blick und die geschickte Anwendung des introvertierten Denkens (Ti) hilft ihnen, sowohl das allgemeine System als auch die besonderen Eigenarten und Wiederholungen bei der Ausführungen einer Handlung zu erfassen, um diese nachzustellen und weiter zu verfeinern.

Das Ziel des ISTPs ist es, seine Aktivitäten so gründlich zu meistern, dass er diese ohne Zögern, bange Zweifel oder Angst ausführen kann. Er will möglichst „natürlich zuschlagen“, geschmeidig und ruhig. ISTPs möchten derart im Einklang sein mit dem, was sie gerade tun, dass sie nicht darüber nachdenken müssen. Sie wissen in jedem Moment, was getan werden muss.
Die Vorstellung von Furchtlosigkeit ist wichtig für den ISTP. Seine Konzentration auf das Objekt verankert ihn fest mit der Gegenwart. Die Gegenwart wartet seiner Überzeugung nach nicht, bis du festgestellt hast, was als nächstes getan werden muss.
Der ISTP versucht, die Logik seiner Umwelt in dem Umfang zu verstehen, dass er sich natürlich jedem und allen neuen Dingen anpassen kann, die ihm das Leben diktiert, besonders dann, wenn er sich inmitten einer Handlung befindet.

Dazu muss er furchtlos und unverzüglich handeln, sich selbst und dem, was er tut, vertrauend. In seinen Augen verlangt das Leben, Risiken einzugehen, und Risiken einzugehen benötigt Zuversicht. Stell dir zum Beispiel vor, du wärst ein Wahnsinns-Abenteurer, der von fünfzehn Millionen blutrünstigen Ameisen im Inneren Südamerikas gejagt wird und während du rennst, näherst du dich einer klaffenden Schlucht mit einer Weite von ca. 9 Fuß ( ca. 2,7 Meter), von der du denkst, dass du sie sicher überspringen kannst. Wenn du aufgrund der überwältigenden Tiefe der Schlucht oder aufgrund von Zweifeln, ob du es schaffen kannst oder weil dein Handy ausgerechnet in dem Moment klingelt, wo du zum Sprung ansetzt, oder was auch immer, auch nur ein klein wenig zögerst, während du dich ihr näherst – wenn du zögerst, werden dein Elan und deine Konzentration sofort abfallen und du wirst gerade so viel straucheln, dass du den Felsvorsprung verpasst und in deinen Tod stürzt.
Aber wenn du deine Konzentration aufrecht erhältst und deine unbedingte Zuversicht, wie du zum Sprung ansetzen wirst, um deinen Schritt zu maximieren, und du dich von nichts aus der Ruhe bringen lässt, dann wirst du es schaffen.

Das ist im Kern die Einstellung der ISTPs: Sie versuchen so zu leben, dass sie keine Ängste dieser Art spüren, um Zuversicht in sich und Meisterschaft über sich und ihre Handlungen zu erlangen, so dass sie angesichts einer sich bietenden Gelegenheit oder eines Hindernisses nicht zögern.

Die introvertierte Intuition (Ni) spielt eine wichtige Rolle in der auf Beherrschung zielenden Natur des ISTPs. (Verweis auf anderes Video, indem weitere Erklärungen folgen). Während die Ne-/Si-Achse des INTPs breiter aufgestellt ist und akribisch die verschiedensten Facetten einer Idee durchleuchtet, konzentriert sich die Ni-/Se-Achse stark auf eine Facette, welche im gegenwärtigen Moment die reichhaltigsten Möglichkeiten verspricht. Anders ausgedrückt: die Ne/Si-Achse ist wechselhaft und legt sich nicht fest auf irgendeine Perspektive, aber ist im Ergebnis weit gereist und facettenreich, wohingegen die Ni-/Se-Achse treu ergeben ist und sich stark einer bestimmten reichhaltigen Perspektive im Moment verpflichtet fühlt und darum unter Ausschluss anderer Perspektiven ein Spezialist auf einem eng abgesteckten Gebiet wird – zumindest bis der Brunnen austrocknet und der Ni-/Se-Typ gezwungen ist, sich weiterzubewegen.

Während der INTP eine weit gereiste und facettenreiche Einstellung zu Ideen zeigt, demonstriert der ISTP eine enge, intensive und engagierte Einstellung zu Ideen.
Der INTP erscheint häufig cleverer, akademischer im herkömmlichen Sinne und belesen, wohingegen der ISTP eher konzentriert, schwer abzulenken, minimalistisch und prägnant, scharf, kalt und hart wie Stahl erscheint.
Zwischen dem ISTP und dem INFJ lässt sich ein faszinierender Vergleich anstellen, da beide über die gleichen nicht unterdrückten introvertierten Prozesse verfügen: Ti und Ni. Beim INFJ richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Betrachten innerer Möglichkeiten, und dem Ausloten ihrer endlosen Assoziationen. Mit anderen Worten, INFJs beobachten ihre Intuition passiv, ihr introvertiertes Denken dient der introvertierten Intuition (Ni), organisiert diese und macht sie besser handhabbar.
Beim ISTP ist das Gegenteil der Fall: Die Betrachtung des Ni dient dem Ti. Indem Assoziationen und Verbindungen betrachtet werden, hilft die introvertierte Intuition (Ni) dabei, ein beständiges logisches System zu errichten.
Im Vergleich zum INFJ, der ein passiver Beobachter ist, ist der ISTP ein scharfer und aktiver Konstrukteur oder Urteilender.

Die introvertierte Intuition bewirkt im ISTP eine starke und zielgerichtete Konzentration. Se fotografiert den betrachteten Gegenstand (Objekt) direkt, während Ni in die Verbindungen eintaucht, die das Objekt im Subjekt (dem ISTP) auslöst. Gemeinsam im Dienst des introvertierten Denkens (Ti) kann der ISTP so eine gestochen scharfe und außergewöhnliche Analyse der Dinge vornehmen.

Diese Intensität hat verschiedene interessante Auswirkungen. Erstens ist der ISTP im Verruf, kurz angebunden zu sein, wie bereits erwähnt wurde. Ni führt zu einer verdichtenden Bewegung, insoweit, dass es mit einigen wenigen eleganten Anschlägen versucht, Informationen zusammen zu fassen.
In der Zwischenzeit zeigt Ti zwar nicht dieselbe zusammenfassende Bewegung. Jedoch versucht es, das abstrakte Gerüst eines Gegenstandes zu erfassen. Gemeinsam mit Ti und Ni entwickelt der ISTP eine ganz besonders reduktionistische Einstellung, in seinem andauernden Bemühen, Ideen zu vereinfachen und die bloßen Notwendigkeiten aufzudecken.
Der INTP versucht auch die bloßen Notwendigkeiten aufzudecken, aber ist dabei in seinem Ansatz nicht so direkt und intensiv. Der INTP hat eine breitere, neugierige, entdeckende Einstellung an sich, während der ISTP eine hingebungsvollere, obsessivere, eintauchende Einstellung einnimmt, die sich in den von ihm entwickelten Prinzipien niederschlägt.

ISTPs versuchen so viel wie möglich mit nur wenigen Worten auszudrücken. Dies lässt sich auch auf die von ihnen entwickelten Systeme übertragen, die so einfach, verdichtet und rein wie möglich sein sollen. Sie erledigen die Dinge gerne in zügigen, bestimmten Stößen, jeglichen dekorierenden Beiwerks beraubt und ohne innerer Ineffizienz.
Wladimir Putin, was immer man von ihm halten mag, drückt dies bezogen auf das Kämpfen so aus: „Du musst zuerst zuschlagen, und so hart zuschlagen, dass dein Gegner nicht wieder aufsteht.” Anders ausgedrückt: Wenn der erste Schlag nicht präzise und wirksam genug ist, werden die Bemühungen schnell nachlässig und viel weniger effizient sein.

Dies leitet über auf einen anderen berühmt-berüchtigten Aspekt von ISTPs, ihr unterdrücktes Fe. Die Genauigkeit, Direktheit und Beseitigung aller Ineffizienz erstreckt sich auch auf alle Beschönigungen in ihrer Sprache und in ihrem Ausdruck, ihrem Erscheinungsbild- Anstandsgefühl und Umgangsformen.
Der ISTP kann sehr unverblümt und direkt sein, geradezu auf das Problem lossteuern. Auf diese Weise funktioniert er. Das kann bewundernswert und ein großer Vorteil sein, aber wenn diese Fähigkeit nicht entwickelt ist, kann sie auch schnell in einen Nachteil umschlagen. Die stechenden Gedanken eines ISTPs können manchmal andere Menschen durchdringen, ohne dass sie den Umfang des angerichteten Schadens erfassen. In anderen Worten – ihre Intensität kann gelegentlich andere unbeabsichtigt beleidigen und verletzen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Steve Jobs, der durch eine grobe direkte Präsentation in Verruf geriet. Er selber äußerte (sinngemäß): „Ich sage, wenn was drückt, ich nehme kein Blatt vor dem Mund.“
Anders ausgedrückt – du bietest ihm ein Design für das nächste Apple–Produkt an, und während der Durchsicht deutet er an, dass er diese Idee mag und diese Idee weiterentwickelt. Der Rest allerdings ist seiner Meinung nach grober Unfug, ist zu klobig und dies und das, und wird deshalb nicht funktionieren. Aus Sicht des ISTPs ist diese Unverblümtheit nicht absichtlich abwertend. Aber ganz ehrlich: Leute können diese Einstellung zwar erkennen, aber besser fühlen sie sich dadurch auch nicht – und genau hierin liegt das Problem.

Direktheit und Unverblümtheit können sehr gute Eigenschaften sein und stehen oft für Ehrlichkeit. Dies setzt allerdings voraus, dass die Idee des ISTPs tatsächlich die beste Idee ist.
Wenn dies nicht der Fall ist, dann ist die durchdringende Art nicht länger ein bewundernswerter Auftritt für Wahrheit und Gerechtigkeit sondern ein falsch platzierter Widerhaken, der eine entsprechende Gegenreaktion provoziert.
Der ISTP ist wie eine Giftschlange umhüllt von harten spitzen Schuppen, und wenn diese nicht daran gehindert wird, kann das, was der Schlange natürlich erscheint, andere ernsthaft verletzen und diejenigen blutig zerkratzen, die keine derartigen Schuppen haben.

In der Zusammenfassung ergibt sich: Der ISTP erlangt Meisterschaft, erfasst die logischen Systeme der Wirklichkeit, so dass er seine Aufgaben mit äußerster Zuversichtlichkeit und Natürlichkeit ausführen kann. Dies verleiht ihm eine charakteristische Furchtlosigkeit und einen kühlen Kopf – selbst in aussichtslosen Situationen. Er ist extrem konzentriert und richtet seine dritte Funktion – die introvertierte Intuition darauf, Ideen in einfache und elegante Prinzipien zu überführen, weshalb er eher kurz angebunden und wortkarg erscheint. Schlussendlich resultiert sein unterdrücktes extravertiertes Fühlen in einer unverblümten und direkten Natur. Er gelangt schnell zum Punkt und verletzt dabei manchmal unbeabsichtigt andere Menschen.

Vielen Dank fürs Lesen/Zuhören; und an alle ISTPs da draußen: Danke für eure Gelassenheit angesichts von Gefahr und eure durchdringende Überprüfung der Welt.

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