This entry is part 2 of 6 in the series Michael Pierce präsentiert

Über diesen Link findest du das Video von Michael Pierce. Für alle, die des Englischen nicht (ausreichend) mächtig sind, habe ich nachstehende Übersetzung des Transkripts gefertigt. Ich bitte die mit der direkten Übersetzung des gesprochenen Wortes einhergehende Holprigkeit nachzusehen.
Zum leichteren Verständnis des Videos und der Übersetzung ein Exkurs:

Funktionen des ENTPs:  Abkürzung:

1. extravertierte Intuition               Ne
2. introvertiertes Denken               Ti
3. extravertiertes Fühlen                Fe
4. introvertiertes Empfinden        Si

ENTP – präsentiert von Michael Pierce

(übersetzt von Sascha Faber)

David Keirsey bezeichnete sie als „Erfinder“, woanders werden sie „Visionäre“ und „Urheber“ genannt. Alle drei Spitznamen betonen die kreative Seite des ENTPs, insbesondere der Spitzname „Urheber“ deutet an, dass ENTPs gerne neue Dinge beginnen, sich jedoch schwer tun, diese auch bis zum Ende durchzuziehen. Das Klischee von einem ENTP ist das eines geistesgegenwärtigen, immer skeptischen und höchst erfinderischen Verbündeten des Teufels, ein schlauer Anwalt oder Unternehmer, der die unsinnigen Irrationalitäten der Menschheit durch scharfes Beobachten entlarvt.

Dies ist keine falsche Karikatur, es bleibt jedoch eine Karikatur, die bestimmte Seiten überbetont und andere massiv herab spielt.
Wie immer – lasst uns die Funktionen des ENTPs auseinandernehmen.

ENTPs sind wahrnehmende Typen, dies bedeutet, dass sie die extravertierte Wahrnehmung und das introvertierte Urteil bevorzugen. Entsprechend fußt ihr Urteil auf subjektiven inneren Informationen, während sie einfach beobachten und objektive Informationen und Erfahrungen aufsaugen. Man könnte auch sagen, dass sie der äußeren Welt gegenüber aufgeschlossener sind und aggressiver ihrer inneren Welt gegenüber auftreten.

Hierbei bevorzugen sie die extravertierte Intuition und das introvertierte Denken. Extravertierte Intuition ist innovativ: Sie nimmt wahr und sucht nach neuen Möglichkeiten auf Grundlage objektiver Fakten, findet die vielversprechendsten und bringt diese zur Geltung. Introvertiertes Denken ist deduktiv: Es versucht ein konstantes System innerer Logik zu entwickeln, indem es alle notwendigen Schlussfolgerungen aus bestimmten vorgegebenen Grundannahmen ableitet.

Zusätzlich sind ENTPs dem INTP sehr ähnlich. Beide bevorzugen Ne und Ti. Der ENTP bevorzugt Ne jedoch mehr als Ti.
Nichtdestotrotz sind sie in gewisser Weise der gleiche Typ oder zumindest Geschwistertypen.
Ich persönlich bezeichne die NTP-Typen gerne als “Denker”, da sie eine facettenreiche Überprüfung von Möglichkeiten in der Welt mit einem rigorosen Ordnen und logischem Schlussfolgern in ihrem Geiste verbinden und daher als ruhig die Welt beobachtend und darüber grübelnd erscheinen.
Selbstverständlich ist der Begriff “Denker” nur ein Spitzname, der mir hilft, mich an die Natur des NTPs zu erinnern und bedeutet nicht, dass NTPs die einzigen Typen sind, die denken oder am besten von allen denken oder gar mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Karriere oder einen Lebensstil haben, der sich um ein derart stereotypisches Denken dreht.

Der ENTP ist ein „Denker“, für den die objektive Beobachtung von Möglichkeiten wichtiger ist als ihre inneren logischen Prinzipien und Schlussfolgerungen. Er ist in erster Linie damit befasst, zu entdecken, zu schaffen und zu erfinden, mit anderen Worten von allem Neuen und Spannenden zu leben.
Das Wort, das ich gebrauche, um mich an die Natur des ENTPs zu erinnern, ist „facettenreich“. Dieses Wort dient nicht dazu, den ENTP zu beschreiben sondern die Art und Weise, mit welcher er die Dinge angeht. Die den ENTP auszeichnende Eigenschaft ist sein großes Interesse, alle Seiten einer Idee zu betrachten ohne sich einer bestimmten Sichtweise zu verschreiben. In anderen Worten: der ENTP möchte alle Seiten eines Themas erfassen ohne Experte für nur einige Themen zu sein. Dies ist der Ausdruck seiner dominanten Intuition (Ne), die darauf drängt, mehr und mehr Möglichkeiten zu erkennen oder eine breite Palette von Möglichkeiten statt nur einiger weniger völlig ausgeformter und vollständiger Möglichkeiten.

Im Fall des ENFPs erscheint dieser Appetit auf Vielfalt als eine Art poetisches Fernweh, dem wegen des aus dem introvertierten Fühlens (Fi) abgeleiteten Individualismus nachgegeben wird . Das introvertierte Denken (Ti) des ENTPs hingegen, bewertet nicht, bzw. denkt nicht darüber nach, was es möchte, es stellt schlicht fest, was ist und was funktioniert. Ti ist deduktiv, und es möchte die Kontrolle über interne Ideen und Eindrücke gewinnen, indem es sie in ein perfektes System integriert.

Daher erscheint das Ne der ENTPs oft akademischer, leidenschaftsloser oder wissenschaftlicher. Sie erkunden Möglichkeiten, indem sie ihre logischen Konsequenzen prüfen und schauen, wohin diese führen und ob es irgendwelche Widersprüche entlang des Weges gibt.
Der ENTP ist daher neugierig und erkundend. Wie Friedrich Nietzsche über Sokrates sagte, er war „ der ewige Ermittler aller Dinge.“ Sokrates selber wird folgendes Zitat zugerechnet: „ Ich habe nie davon abgelassen, nach allem zu suchen und alles zu lernen, was mir möglich war.“ Anders als der INTP, der verschiedene Perspektiven einnimmt, um sein System zu perfektionieren, sucht der ENTP ein System zu schaffen, um besser verschiedene Perspektiven zu erkennen.

Wenn der INTP seinem System eine weitere Facette hinzufügt, ist dies ein Grund zum Feiern, eine Einführung in den Rat der Weisen. Im Falle des ENTPs hingegen, spielt dessen Geist einen Trauermarsch, denn die Facette hat kein Potential mehr; es ist aufgebraucht. Dies treibt die ENTPs an, alles zu lernen. Sie wollen alle Möglichkeiten sehen, alle Ideen; es macht ihnen nichts aus, dass sie nur einen Schimmer davon bekommen, denn selbst ein Schimmer würde ihnen neue Erkenntnisse bringen. Sie würden einen sicheren Ort opfern, um die Chance zu erhalten, auszugehen und hundert neue Dinge zu betrachten.

Die forschende Natur des ENTPs beinhaltet zwei weitere bezeichnende Eigenschaften: ihre Skepsis und ihre Streitfähigkeit.
Erstens – die Skepsis, welche ich im Falle des ENTPs besonders definiere: denn ENTPs versuchen, alle Seiten eines Objektes zu betrachten und rebellieren gegen die Stagnation und die Beschränkungen, die darin liegen, sich nur auf eine Seite festzulegen. Sie spielen den Advokaten des Teufels, hinterfragen und fordern jede etablierte Sichtweise heraus. Wenn du ihnen eine Münze zeigst, werden sie sich ganz natürlich fragen, wie die andere Seite ausschaut.
Wenn du ihnen einen Vorschlag unterbreitest, werden sie sich selbstverständlich fragen, was das Gegenangebot wäre und ob dieses nicht vielleicht doch erstrebenswerter ist.
Dies kann ihre Mitmenschen offensichtlich frustrieren und ihnen Angst einflössen. Die Skepsis des ENTPs kann ihm ein aufrührerisches Flair verleihen, besonders dann, wenn er einen tief gehegten Glauben hinterfragt. Sokrates wurde für seine endlosen Fragen, störenden Meinungen und die Ermutigung der Athener Jugend, seinem Beispiel zu folgen, zum Tode verurteilt.

Eine weitere Auswirkung der Skepsis ist die Unsicherheit des ENTPs. Wie Sokrates sagte: Die einzige wahre Weisheit ist zu wissen, dass man nicht alles weiß. Der ENTP weiß sehr genau, dass eine Münze zwei Seiten hat und dass sich Dogmatiker selbst auf eine Seite beschränken, denn es gibt so viele Perspektiven auf die Dinge und so wenig Zeit, diese zu erkunden; es gibt keinen Weg, sich in allem absolut sicher zu sein. Dem ENTP macht dies nichts aus, denn genau dies bedeutet für ihn, dass er nie sesshaft wird und er für den Rest seines Lebens weiter suchen und lernen kann. Allerdings kann dieser Ansatz dazu führen, dass ENTPs nihilistisch und grüblerisch werden, wenn sie zu dem Schluss kommen, dass es keine Wahrheit gibt und keinen Zweck, der es Wert ist, verfolgt zu werden.

Zweitens sind ENTPs für ihre Streitfähigkeit berühmt. ENTPs lieben es, die verschiedenen Seiten eines Sachverhaltes zu überprüfen und besitzen hier oft ein hervorstechendes Talent. Anders als beim ENTJ ist ihnen jedoch weniger daran gelegen, einen bestimmten Punkt zu beweisen, sondern sie mögen die Debatten um ihrer selbst willen, denn es gibt ihnen die Gelegenheit, die vielen verschiedenen Seiten vielfältigster Themen zu prüfen und auf dies Weise der Wahrheit näher zu kommen. Ein ENTP kann jemanden aus reinem Vergnügen in einen Streit verwickeln. Dabei stellt er öfter fest, dass sein Verlangen nach einer mitreißenden sokratischen Diskussion bedauerlicherweise nicht erwidert wird oder ihm gar fälschlich als Aggression ausgelegt wird.

Die dritte Funktion des ENTPs ist das extravertierte Fühlen (Fe). Während dieses vom INTP unterdrückt wird, so dass es diesem oft schwer fällt, ein sozial wünschenswertes Erscheinungsbild zu vermitteln, ist der ENTP hier weniger benachteiligt. Fe unterstützt die Streitfähigkeit der ENTPs in hohem Maße, da sie hierdurch besser die emotionalen Absichten ihres Gegners einschätzen und erwidern können. Sie können sich den unterschiedlichen emotional gefärbten Dialekten der Menschen, denen sie begegnen, anpassen und mit ihnen kommunizieren. Dabei vermuten sie ganz selbstverständlich, dass jeder alles lernen kann, so lange das Erlernte universal ist und die darunter liegende Logik so gut wie möglich vermittelt wird.

Aufgrund ihres Fe sind ENTPs daran interessiert, mit der Menge zu kommunizieren, ihr Ti vermittelt ihnen den Glauben an universal wahre logische Prinzipien. Daher kann der ENTP außerordentlich befähigt sein, schwierige Konzepte derart begreiflich zu machen, dass sie auch der normale Mensch auf der Straße versteht.

Jedoch unterdrückt der ENTP sein introvertiertes Empfinden (Si). Im ENFP intensiviert dies sein Fernweh und seine Ängste, festgebunden zu sein. Während dieselbe Empfindung durch den ENTP geteilt werden kann und sich oft in seinem Verlangen ausdrückt, Dinge neu, unverbraucht und interessant zu halten, ist dies jedoch nicht das am meisten überwiegende und sichtbare Problem des ENTPs.
Introvertiertes Empfinden (Si) ist schwierig zu beschreiben. Ich habe öfter die Metapher eines Malers verwandt. Um diese Idee näher auszuführen, sollten wir einen Blick auf das extravertierte Empfinden (Se) werfen. Se hat von allen Funktionen die unmittelbarste Beziehung zum Objekt, denn es schaut mit einer scharfen Linse auf Dinge, Menschen, Ideen, Ereignisse und die allgemeinen Umstände. Der Unterschied ist, dass Si nicht direkt auf die Umstände als unmittelbares Objekt blickt, sondern es schaut subjektiv, indem es darauf achtet, inwieweit es von den Umständen berührt wird und beeindruckt wurde und wie sich diese auf vergangene Eindrücke beziehen.
Was ihm an unmittelbarer und photographischer Genauigkeit fehlt, kompensiert es durch Reichhaltigkeit und Geschichte. Si ist nicht akribisch, weil es auf die Details achtet, sondern weil es auf alles einschließlich der Details achtet. Das erschwert es, Ereignisse und Dinge mit anderen Dingen zu assoziieren. Dies folgt jedoch nicht daraus, dass introvertiertes Empfinden weniger sieht als die Intuition sondern aus dem Umstand, dass es mehr sieht und daher länger benötigt, um Schlussfolgerungen zu ziehen, die dafür garantiert genauer und präziser sind.

Mit diesem Vorspann im Hinterkopf ergibt sich folgendes: der ENTP, der bevorzugt durch eine verschwommene Linse nach außen schaut, vernachlässigt darüber seine vergangenen Erfahrungen und Eindrücke von Einzelheiten. Mit anderen Worten, während ihrer Erkundungen neigen ENTPs dazu, wichtige Einzelheiten zu übersehen oder zugunsten einer neuen Möglichkeit oder einer faszinierenden Assoziation hinauszuschieben ; sie lassen sich nicht von „Kleinigkeiten“ abhalten.
So mag ein ENTP-Wissenschaftler mit einer genialen Idee aufwarten, wie Krebs besiegt werden kann. Wenn diese Idee weiter verfolgt wird, trifft er auf Einzelheiten, die seine Methode in Frage stellen, aber er entscheidet sich, diese erst später näher zu untersuchen, um weiter seiner Eingebung nachzueilen und die noch rohe Idee zu erkunden.
Der ENTP ist manchmal zu überstürzt und enthusiastisch bei der Umsetzung seiner Ideen und unterstellt dabei fälschlich, dass sich die kleineren Hindernisse von selbst auflösen oder später durch die reine Schwungkraft der Idee als unbedeutend herausstellen werden. Für den ENTP erscheint die Idee immer bedeutender als die Einzelheiten, aber in Wirklichkeit ist die Idee ein Ballon, und die Einzelheiten sind spitze Reißzwecken.

In der Zusammenfassung ergibt sich: ENTPs haben eine facettenreiche Perspektive aus der heraus sie neugierig alle Gesichtspunkte einer Idee oder eines Objektes untersuchen, den Advokaten des Teufels spielend und einen Streit um seiner selbst willen vom Zaun brechend. Sie sind immer skeptisch und hinterfragend, um mehr Möglichkeiten zu entdecken, und ihr extravertiertes Fühlen (Fe) demonstriert einen gewissen Charme oder Scharfsinn, während es die Dinge der Öffentlichkeit präsentiert. Jedoch unterdrücken sie das introvertierte Empfinden (Si), wodurch sie versucht sind, Kleinigkeiten zu ignorieren und die Bedeutung ihrer Ideen überzubewerten.

Vielen Dank fürs Lesen/Zuhören und an alle ENTPs da draußen:
Danke für das Erkunden neuer Perspektiven und die Bereitschaft, schwierige Fragen zu stellen, wo dies notwendig ist.

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